Lasst Abwasser nicht den Bach runtergehen!

Treatment Plant Wastewater

Das Thema des diesjährigen Weltwassertages ist Abwasser – und das zu Recht: Weltweit fließen etwa 80 Prozent des vom Menschen erzeugten Abwassers zurück ins Ökosystem, ohne aufbereitet oder wiederverwendet zu werden. Daraus folgen eine erhebliche Umweltverschmutzung und gravierende Gesundheitsrisiken. Elsa Semmling zeigt drei Wege auf, wie die Situation in Entwicklungsländern verbessert werden kann.

In Entwicklungsländern mangelt es oftmals an Infrastruktur und Ressourcen, um wirksam und nachhaltig Abwassermanagement zu betreiben. Das ist umso bedauerlicher, als es gerade in Ländern mit hoher Wasserknappheit vielfältige Möglichkeiten gibt, Abwasser als Ressource zu nutzen. Abwasser ist eine kostengünstige und nachhaltige Quelle für Frischwasser und Nährstoffe, wenn es sicher aufbereitet und eingesetzt wird. Damit trägt es zur besseren Wasserversorgung und zur Ernährungssicherung bei, und somit zu verbesserten Lebensgrundlagen. Eine Initiative, die das Potenzial dieser unkonventionellen Quelle für Bewässerung in ländlichen Gebieten beleuchtete, war das Projekt „SWIM – Sustain Water MED“, das Ansätze zur Wiedernutzung von Abwasser in der MENA-Region entwickelt hat.

Zum Beispiel bedrohen in Marokko unzureichendes Management und mangelnde Aufbereitung von Abwasser die Qualität der ohnehin knappen Wasserressourcen. Der Großteil der Landbevölkerung ist nicht an Kanalisationssysteme angeschlossen, und viele Haushalte und öffentliche Gebäude in ländlichen Gegenden verfügen über keinerlei sanitäre Einrichtungen. Die Folge ist, dass nur 15 Prozent des Abwassers in Marokko aufbereitet wird, während das Land immer mehr unter Wasserstress leidet, bedingt durch steigenden Wasserbedarf und Vulnerabilität gegenüber dem Klimawandel.

87 Prozent des Wasserbedarfs in Marokko entstehen durch landwirtschaftliche Bewässerung, die eine Fläche von 1,5 Millionen Hektar umfasst. Die nationale Wasserstrategie Marokkos, die derzeit überarbeitet wird, konzentriert sich im Rahmen des nationalen Abwasserprogramms im ländlichen Raum (PNAR) auf die Verbesserung von Abwasserentsorgung sowie Abwasseraufbereitung und -wiederverwendung in ländlichen Gemeinden mit dem Ziel, die Wiedernutzung aufbereiteten Abwassers bis 2018 um 30 Prozent zu steigern.

Ein vielversprechender Weg: nachhaltige Sanitärversorgung bei optimierter Wiederverwendung von Abwasserprodukten

„Sustain Water MED” hat ein wirksames und kostengünstiges Konzept für dezentrale Entsorgung, Aufbereitung und Wiederverwendung von Abwasser an sieben Pilotstandorten in Ait Idir, einem Dorf im Oasengebiet des Dadèstals im Südwesten Marokkos, umgesetzt. Beim für Ait Idir entwickelten „ecological sanitation“-System werden verschiedene Technologien eingesetzt, die den Bedürfnissen der ländlichen Gemeinden entsprechen. Der „ecological sanitation“-Ansatz beschreibt ein ökologisches, kreislauforientiertes System zur Abwasserbewirtschaftung und Sanitärversorgung.

Gleichzeitig wird eine angemessene Abwasseraufbereitung ermöglicht, die zu einer Reduzierung von Gesundheitsrisiken beiträgt und die Belastung der Umwelt – vor allem des Grundwassers – mindert, welche durch unkontrollierte Entsorgung von Abwasser und Abfällen durch Haushalte und Viehbestände hervorgerufen wird. Der Erfolg dieses Ansatzes lag vor allem in der entscheidenden Verbesserung der örtlichen sanitären Bedingungen durch einfache Hygienesysteme an privaten und öffentlichen Orten, die gleichzeitig beträchtliches Potenzial zur Wiederverwendung boten. Die Rückgewinnung von Wasser und Nährstoffen, die direkt für die lokale Landwirtschaft sowie die Erzeugung von Biogas für Haushaltszwecke nutzbar sind, brachte auch spürbare ökonomische Vorteile für die örtliche Bevölkerung.

Die Erfahrung in Ait Idir zeigt, dass ein dezentrales, auf Wiederverwendung ausgerichtetes Abwassermanagement eine verlässliche Alternative zu zentralen Abwassersystemen darstellt, die in ländlichen Gebieten aufwendig und kostspielig sein können. Die Auswirkungen des Projekts trugen auch zu einer größeren Akzeptanz dezentraler Abwasserentsorgung bei, da Maßnahmen vorgestellt wurden, die sich bei der Umsetzung des PNAR auch auf andere ländliche Gebiete Marokkos erfolgreich übertragen lassen können.

Drei Wege, um auf Wiedernutzung ausgerichtetes Abwassermanagement und Sanitärversorgung zu verbessern

Die Wiedernutzung von Abwasser, und bis zu einem gewissen Grad auch die dezentrale Abwasseraufbereitung, werden von der Politik und nationalen Strategien in vielen Ländern offiziell unterstützt, die denselben Herausforderungen gegenüberstehen wie das an Wasserknappheit leidende, ländliche Marokko. Aus den Erfahrungen mit „Sustain Water MED” konnte adelphi schließen, dass für die Förderung von weiteren Systemen, die nachhaltige Sanitärversorgung und ein auf Wiederverwendung ausgerichtetes Abwassermanagement verbinden folgende Faktoren ausschlaggebend sind:

  1. Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Genehmigungsverfahren, um die Umsetzung innovativer Pilotprojekte zu erleichtern. Zu strikte Regulierungen und Verwaltungshürden erweisen sich als kontraproduktiv für effektives Abwassermanagement. Wenn die rechtlichen Anforderungen unter den örtlichen Bedingungen nicht erfüllbar erscheinen, wird Abwasser oft inoffiziell entsorgt oder wiederverwendet. Dies geschieht völlig unkontrolliert und birgt Risiken für Gesundheit und Umwelt. Daher sollten die gesetzlichen Rahmenbedingungen und -anforderungen auf einer realistischen Einschätzung dessen beruhen, wie viel Regulierung hinsichtlich der bestehenden Situation und Möglichkeiten tatsächlich nötig und durchführbar ist.
     
  2. Ausrichtung auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Endverbraucher und Erzeugung spürbarer wirtschaftlicher Vorteile für die örtliche Bevölkerung. Eine anfängliche Abneigung gegenüber der Wiederverwendung von Produkten aus Abwassersystemen für landwirtschaftliche Zwecke kann leicht überwunden werden, wenn auf Wiedernutzung ausgerichtete Ansätze auf die dringenden Bedürfnisse der örtlichen Bevölkerung zugeschnitten sind. Das bezieht sich auf den Zugang zur Sanitärversorgung, die Sicherung des Zugangs zu zuverlässig geklärtem Bewässerungswasser, sowie auf die Rückgewinnung von Nährstoffen zur direkten Verwendung durch die örtliche Landwirtschaft.
     
  3. Entwicklung der Kompetenzen von lokalen Technologieanbietern und Bauunternehmen. Das beinhaltet nicht nur spezielle technische Ausbildungsmaßnahmen, sondern auch Bewusstseinsbildendung zu neuen Marktchancen, die durch die neuen Ansätze von Abwassermanagement und Sanitärversorgung entstehen. Der Aufbau örtlicher Kapazitäten ist ein entscheidender Aspekt hinsichtlich einer potenziellen Übertragung der Technologie auf andere Gebiete derselben Region, in denen ähnliche Bedürfnisse vorherrschen.

Elsa Semmling arbeitet bei adelphi als Projektmanagerin im Themenbereich Wasser. Sie ist Teil des Teams zur Entwicklung von Pilotprojekten für nachhaltige Wasserwiederverwendung in der MENA-Region (Sustain Water MED).

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