
Wenn verschiedene Länder unterschiedliche Preise für CO2-Emissionen festlegen, kann das dazu führen, dass Unternehmen an Standorten mit höheren Preisen einen Wettbewerbsnachteil haben. Als Reaktion darauf verlagern sie häufig sowohl ihre Wirtschaftstätigkeit als auch die verbundenen Emissionen in Länder, die keinen solchen Beschränkungen unterliegen. Dieses Phänomen, das als „Carbon Leakage“ bekannt ist, kann die Wirksamkeit der CO2-Bepreisung bei der Reduzierung globaler Emissionen behindern und in Ländern mit einer strengeren Klimapolitik zu ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Schäden führen. Um diesem Risiko entgegenzuwirken, hat die Europäische Union (EU), wie alle Regierungen, die Emissionshandelssysteme (ETS) eingeführt haben, energieintensiven, dem Markt ausgesetzten Wirtschaftssektoren einen Teil der Emissionszertifikate kostenlos zur Verfügung gestellt. Dieser Ansatz wird jedoch mit zunehmenden Einschränkungen konfrontiert sein: Die Zahl der kostenlos verfügbaren Zertifikate wird im Einklang mit einer überarbeiteten Obergrenze des EU-ETS erheblich abnehmen, insbesondere im Rahmen eines ehrgeizigeren Reduktionsziels bis 2030. Viele wichtige Industriesektoren in Europa könnten im kommenden Jahrzehnt mit immer höheren Kosten für ihre Emissionen konfrontiert werden. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und gleichzeitig die Reduzierung von CO2-Emissionen voranzutreiben, werden voraussichtlich neue Ansätze nötig.
adelphi gehört zu einem Forschungsteam, das von der Generaldirektion für Klimapolitik der Europäischen Kommission beauftragt wurde. Das Team soll das Ausmaß der Verlagerung von CO2-Emissionsquellen während der dritten Phase des EU-Emissionshandelssystems (2013–2020) bewerten und Industriesektoren identifizieren, die im kommenden Jahrzehnt unter einem strengeren Reduktionsziel von 50 bis 55 Prozent statt der derzeitigen 40 Prozent verwundbar sein könnten. Diese Studie bewertet unter anderem die Wirksamkeit der kostenlosen Zuteilung bei der Verhinderung von Carbon Leakage sowie die Grenzen dieses Ansatzes in der Zukunft, da die Zahl der kostenlosen Zertifikate mit der strengeren Obergrenze des EU-ETS abnehmen wird.
Diese Bewertung der Verlagerung von CO2-Emissionsquellen wird für eine EU-Folgenabschätzung für höhere Klimaziele benötigt. Der Abschlussbericht stellt sowohl eine rückblickende als auch eine vorausschauende Analyse der Carbon Leakage vor. Außerdem enthält er Factsheets zu Schlüsselindustrien. Diese decken eine Reihe von Wirtschafts- und Klimametriken während Phase III des EU-Emissionshandelssystems ab. Zudem quantifizieren sie potenzielle Engpässe bei den Zertifikaten und bewerten die Anfälligkeit jedes Sektors für Carbon Leakage auf der Grundlage von Faktoren wie dem erwarteten Vermeidungspotenzial und den Kosten während Phase IV.
adelphi hat auf seine umfangreichen Erfahrungen mit internationalen Kohlenstoffmärkten zurückgegriffen, um qualitative und quantitative Daten zu CO2-Bepreisung, Leakage-Schutz und anderen klimapolitischen Maßnahmen bei wichtigen EU-Handelspartnern bereitzustellen. Darüber hinaus hat adelphi politische Optionen für den Umgang mit identifizierten Risiken von Carbon Leakage für gefährdete Sektoren vorgestellt. Insbesondere hat adelphi Anpassungen der Kohlenstoffgrenzen (Carbon Border Adjustments, CBA), Verbrauchsabgaben, ein abgestuftes sowie ein bedingtes Vorgehen zur kostenlosen Zuteilung und Innovationsförderung bewertet.