Biodiversität wiederherstellen, Klimaneutralität erreichen: Potenzialräume für die Renaturierung von Ökosystemen in Deutschland

Sumava National Park

Um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten, hat die internationale Staatengemeinschaft bereits im Jahr 2010 auf der Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über den Schutz der Biologischen Vielfalt (kurz: COP 10 CBD) beschlossen, dass mindestens 15 Prozent der beschädigten Ökosysteme bis 2020 wiederhergestellt werden sollen. Auch die EU griff dieses Ziel (15. Aichi-Ziel der COP 10 CBD) in ihrer Biodiversitätsstrategie für 2020 auf. Erreicht wurde es aufgrund ungenügend klarer Definition und Verbindlichkeit bislang jedoch nicht.

Die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 schreibt daher erstmals rechtsverbindliche Wiederherstellungsziele vor: Dazu beabsichtigt die EU-Kommission, bis Anfang 2022 ein neues Rechtsinstrument vorzuschlagen. Über den genauen Inhalt dieser Ziele wird derzeit noch debattiert. Allerdings hat die EU-Kommission bereits angegeben, dass die Erhaltung von Ökosystemleistungen, die zum Klimaschutz beitragen, ein Schwerpunkt sein soll.

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) wollte die öffentliche Diskussion fachlich unterstützen und hatte deshalb die Gesellschaft für Freilandökologie und Naturschutzplanung (GFN) und adelphi damit beauftragt, vorliegende Geobasisdaten auszuwerten und daraus erste Potenzialräume für die Wiederherstellung von Ökosystemen zu ermitteln. Die daraus erarbeitete Studie zeigte geeignete Maßnahmen für verschiedene Ökosysteme auf und gab eine erste Einschätzung, welche Räume sich aus ökologischer und Klimaschutzperspektive besonders dafür eignen. Zum Beispiel sind das insbesondere Räume im Umkreis von bereits existierenden Schutzgebieten oder in Funktionsräumen eines Biotopverbunds. Für die untersuchten Ökosysteme ergeben sich Gelegenheiten zur Wiederherstellung von insgesamt 20 Prozent der Bundesfläche. Besonders hohes Renaturierungspotenzial besteht mit einem Umfang von über 9.300 km² auf organischen Böden (2,6 % des Bundesgebietes), auf 3.720 km² in Auen größerer Flüsse (1 %) sowie mit einem Umfang von über 40.000 km² in Wäldern (11,1 %) und 24.600 km² auf Grünland (6,9 %).

Die von adelphi mitgestaltete Potenzialanalyse sollte als Grundlage für zukünftige Diskussionen zur Verhandlung und Umsetzung des EU-Rechtsinstruments zur Wiederherstellung der Natur dienen. Sobald die Kommission ihren Vorschlag für ein neues Rechtsinstrument veröffentlicht, wird dieser von den Mitgesetzgebern der EU, dem Rat und dem Europaparlament angepasst werden. Dabei dürfen weder die gesamteuropäische Perspektive noch die große Dringlichkeit, Ökosysteme wiederherzustellen, aus dem Blick geraten. Bei der anschließenden Umsetzung der EU-Wiederherstellungsziele und der Formulierung nationaler Wiederherstellungspläne werden vor allem frühestmögliche Dialoge notwendig sein, um etwaige Bedenken oder Konflikte frühzeitig auszuräumen oder zu lösen.