
Es ist kaum noch eine Frage ob, sondern allenfalls wann und in welcher Form es zu einem weltweiten Abkommen gegen Plastikverschmutzung kommt. Auf der fünften UN-Umweltversammlung (UNEA 5.1.) im Februar diesen Jahres haben zahlreiche Staaten ihre Unterstützung für ein neues UN-Abkommen ausgedrückt. Für weiter reichende Beschlüsse boten die online geführten Verhandlungen keinen geeigneten Rahmen.
Der Druck für ein globales Plastikabkommen wächst
Doch die zum Handeln entschlossenen Staaten halten den Druck hoch. Bereits 79 Regierungen haben die Plastic Pollution Declaration unterstützt. Diese wurde zum Oceans Day am 1. Juni 2021 veröffentlicht und fordert einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag gegen Plastikmüll. Am 1. und 2. September lädt zudem Deutschland gemeinsam mit Ghana, Ecuador und Vietnam zu einer virtuellen Minister*innen-Konferenz für ein globales Plastikabkommen ein. Die Konferenz wird den Endspurt bis zur entscheidenden UN-Umweltversammlung im Frühjahr 2022 einläuten, der UNEA 5.2. Bereits im Mai 2021 hatten Peru und Ruanda angekündigt, auf eben dieser UNEA eine Resolution einzubringen, die das Mandat für den Beginn zwischenstaatlicher Verhandlungen erteilt. Umweltschutzorganisationen und zahlreiche Unternehmen fordern ohnehin seit Jahren eine verbindliche Konvention – anders lässt sich das Problem nicht bewältigen.
Die drei Kernziele eines verbindlichen Plastikabkommens
Wie aber müsste ein wirksamer Vertrag aussehen, der die wachsende Menge an Plastikmüll in der Umwelt in den Griff bekommt? In unserem Beitrag in Science legen wir drei Kernziele dar:
- Erstens muss die Gesamtmenge an neu produziertem Plastik gedeckelt und schrittweise reduziert werden. Bis 2040 sollte die Herstellung neuen Plastiks auf ein Minimum heruntergefahren sein. Dies leistet einen wesentlichen Beitrag zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels im Klimaschutz. Bliebe die Produktion von neuem Plastik auf ihrem gegenwärtigen Wachstumspfad, würde sie bis Mitte des Jahrhunderts 10 Prozent des dann verbleibenden CO2-Budgets verschlingen.
- Zweitens muss festgelegt werden, dass möglichst alles Plastik im Kreislauf geführt wird. Das bedeutet, Plastik muss einfach und sicher recycelbar sein und auch recycelt werden. Für eine solche Plastik-Kreislaufwirtschaft braucht das Abkommen verbindliche technische Standards. Eine lückenlose Informationsweitergabe entlang der Wertschöpfungskette muss zudem verpflichtend sein. Zudem müssen Maßnahmen getroffen werden, die fast 2.500 gesundheitlich bedenkliche Zusatzstoffe aus der Produktion verschwinden lassen, die heute noch eingesetzt werden.
- Drittens muss bereits entstandene Plastikverschmutzung aufgeräumt werden. Das betrifft sowohl an Land angesammelten Plastikmüll – was bereits herausfordernd sein wird – aber auch Abfall in Seen, Flüssen und Ozeanen, wo dies ungleich schwerer fällt. Dabei gilt: Je strikter die ersten beiden Ziele erfüllt werden, umso geringer fallen die Kosten für das dritte Ziel aus.
Der gesamte Lebenszyklus von Plastik muss berücksichtig werden
In der Vergangenheit ist Plastik auf internationaler Ebene zumeist als Problem der Meere und als Abfall-Thema behandelt worden. Damit aber lässt sich die zunehmende Flut an Kunststoffmüll in der Umwelt nicht eindämmen. Ein neues Umweltabkommen muss den gesamten Lebenszyklus von Plastik umfassen, vom Design über Herstellung, Weiterverarbeitung, Handel und Gebrauch bis zur Entsorgung einschließlich des Recyclings. Das Ziel muss eine sichere, saubere Kreislaufwirtschaft für Plastik werden.
Nur flankierende Maßnahmen sichern die Umsetzung – Vorschläge zur Ausgestaltung
Wie bei internationalen Abkommen üblich, braucht ein Plastikabkommen eine Reihe unterstützender Maßnahmen. Staaten sollten zur Erfüllung der Ziele ehrgeizige Pläne entwickeln, sogenannte National Plastic Pollution Prevention Plans, oder kurz N4Ps. Diese Pläne sollten durch ein Peer Review geprüft werden, ob sie zur Zielerfüllung geeignet sind. Dann braucht es ein sorgfältiges Monitoring über den Fortschritt. Schließlich drängt die Zeit, bei fast 400 Millionen Tonnen Plastik, die jedes Jahr und zum größten Teil aus fossilen Rohstoffen neu produziert werden.
Das Abkommen braucht zudem einen Finanzierungsmechanismus: dieser muss Entwicklungsländer dabei unterstützen, geeignete Gesetze auf den Weg zu bringen und umzusetzen. Hierzu sollten die größten Verursacher des Problems auch den größten Beitrag leisten. Weiterhin ist eine funktionierende Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik erforderlich: aktuelle Forschungsergebnisse müsse in politische Entscheidungsprozesse einfließen und die wissenschaftliche Community muss den Wissenschaftsbedarf der Politik kennen. Die Ausgestaltung eines solchen Science-Policy-Interface haben wir hier beschrieben.
Schließlich sollte den Verhandelnden klar sein, dass ein neues Plastikabkommen die klaffenden Lückenbestehender Übereinkommen und freiwilliger Aktionspläne schließen muss. Es braucht einen übergreifenden Handlungsrahmen mit starken Zielen und Maßnahmen, der weltweit gilt und besonders die großen Produzenten abdeckt. Wenn das gelingt, kann ein Plastikabkommen nicht nur die Umwelt schützen und soziale und ökonomische Folgeschäden zu verhindern. Es wird auch dazu beitragen, wirtschaftliche Chancen zu schaffen, Innovationen zu fördern und milliardenschwere Investitionen etwa in der Recyclingwirtschaft zu bewegen. Die bisherige Wegwerfgesellschaft ist ökonomisch ebenso wie ökologisch nicht länger tragbar.